Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Inmitten des quirligen, von Gewalt geplagten südamerikanischen Kontinents ruht Uruguay, ein verstecktes Juwel. Das Land besticht mit einer Einfachheit, die in unserer Welt rar geworden ist. Ein wohltuend ruhiges, „grünes“ Urlaubsziel, eine friedliche Oase. Europäer, die darum wissen, nehmen ab Madrid gern die 13 Flugstunden in Kauf.
Wie ein kleines Tortenstück liegt Uruguay eingekeilt zwischen seinen beiden großen Nachbarn Argentinien und Brasilien. Mit knapp 3,5 Millionen Einwohnern leben im ganzen Land etwa so viele Menschen wie in Berlin. Und das auf einer Fläche, halb so groß wie Deutschland. Im Landesinneren, wo man meist im eigenen Häuschen lebt, verteilt die Statistik gerade mal 19 Köpfe auf einen Quadratkilometer. Dichter stecken sie die in Kapitale Montevideo zusammen, wo politisch und kulturell das Herz des Landes schlägt. In und um die Hauptstadt herum lebt die Hälfte der Bevölkerung, trotz saftiger Mieten.
Hollywood-Stars lieben Uruguay
Uruguay gilt als sicher und stabil. Und das, obwohl oder weil viele Ex-Guerilleros des Tupamaro-Widerstands gegen die frühere Militärdiktatur heute im Parlament sitzen. Touristen können viel relaxter sein als an der Copa Cabana oder in Buenos Aires. Die prominenteren treffen sich gern an der Playa del Este, eine Art uruguayisches Sylt. Auch Hollywood-Stars könnte man dort die Hand drücken, Berühmtheiten aus den Nachbarländern ohnehin.
Wer das nicht braucht, ist auf dem Land bestens aufgehoben, wo der gemächliche Alltag an ganz alte Zeiten erinnert. Doch auch hier, an der 22 Kilometer langen Strandpromenade zur Badewanne Montevideos geht es eher ruhig zu: Mopeds und Autos schleichen, Passanten schlendern, laufen Jogger gemächlich die Rambla entlang. Selbst die Wellen des Rio de la Platas wiegen sich träge unter der strahlenden Sonne oder dem milchigen Licht des Mondes. Der aus europäischer Hektik Entkommene kann runterschalten. Hier ist stets Zeit für ein freundliches Wort und eine Umarmung zum Abschied.
Subtropische Bedingungen mit klarer, trockener Luft
Das fühlt sich besser an als der Jetlag, und macht die „Uruguayos“ so sympathisch. Freundlich meint es auch das Klima mit dem Land und seinen Gästen. Die subtropischen Bedingungen mit klarer, trockener Luft, dem regelmäßigen Regenschauer und manchmal stürmischem Wind erinnern an die Nordküste Spaniens und Italiens. Aus diesen Ländern stammen auch viele Vorfahren der Menschen hier. Die Einwanderer, meist Landarbeiter, Handwerker oder Winzer, suchten im 19. und 20. Jahrhundert „im warmen Herzen Südamerikas“, wie Uruguay auch genannt wird, ein besseres Leben.
Ein Wetter, das viele Bauernregeln überflüssig macht, und der fruchtbare Boden ließen hier die Landwirtschaft gedeihen. Besonders für seine Viehzucht ist Uruguay berühmt. Auf den saftig grünen, weiten Wiesen gedeihen Rinder prächtig. In den weiten Landschaften können sie in paradiesischer Freiheit allerorten grasen. Die Ahnen der Tiere wurden noch von den spanischen Eroberern gestiftet. Rindfleisch aus Uruguay macht jeder Küche Ehre. Denn Uruguays Rinder laufen viel, was ihr Fleisch so zart und hochwertig werden lässt. Sagt der Münchner Agrar- und Wirtschaftsjournalist Reinhold Bonfig. „Reines Weidefleisch ist wasserreduziert, nährstoffreicher und geschmackvoller.
Das Nationalgetränk ist Mate
Es enthält in aller Regel keine Antibiotika-Rückstände und ist kaum mit Stresshormonen belastet.“ Auf knapp 160 Fincas im ganzen Land können sich Gäste von dieser Qualität überzeugen und dazu den bekanntesten Rotwein, den Tannat, genießen. Wer Lust hat, darf auch beim Viehtreiben oder Brotbacken mit anpacken. Diese beliebte Form des Aktivurlaubs in der Natur nennt man hier “turismo rural“.
Bevor das Lasso erfunden wurde, hielten die hier Gauchos genannten Cowboys ihre Rinder mit drei an Kordeln gebundenen Steinen in Schach. Diese brutalen Methoden sind dank der modernen, strengen Tierschutzgesetze des Landes abgeschafft worden. Doch auch mit sich gingen die Gauchos nicht zimperlich um. Statt eines Frühstücks tranken sie schon vor dem morgendlichen Ausritt Mate, wird hier gern behauptet. Das Heißgetränk – ein aufgebrühtes Kraut aus der Familie der Stechpalmengewächse – belebt und dämpft den Hunger.
Identitätsstiftendes Volksgetränk
Der Aufguss der Gauchos wurde im Laufe der Zeit zum identitätsstiftenden Volksgetränk. In Wirklichkeit tranken es die Ureinwohner schon weit vor der spanischen Kolonialzeit. Doch die indigenen Stämme waren Mitte des 18.Jahrhunderts faktisch ausgerottet. Also gilt Mate bis heute als „das“ Ursprungsgetränk des bescheidenen Uruguay-Siedlers.
Der Mate ist zweifelsfrei ein Nationalheiligtum. Denn das dazu notwendige Rüstzeug tragen praktisch alle Urugayos zu jeder Tages- und Nachtzeit am Körper: den kürbisförmigen kleinen Becher namens calabasa, das metallene Saugrohr (bombilla), die fermentierten Blätter, genannt hierba, und – fest unter den Arm geklemmt – die Thermoskanne. Selbstverständlich darf der Mate auch auf Arbeit niemals fehlen. Wie man neben dieser obligatorischen Ausrüstung noch eine Hand für Aktentasche oder Regenschirm frei haben kann, bleibt ein Staatsgeheimnis.
Die Naturschönheit Uruguays
Doch nicht der Mate, sondern das Fleisch, das Leder und die gute Schafwolle machten Uruguay in den bewegten (Kriegs-)Zeiten des 20. Jahrhunderts reich. Noch heute gilt die Landwirtschaft neben dem Tourismus als Hauptwirtschaftszweig.
Gestresste Argentinier und Brasilianer lockt die Naturschönheit des kleinen Nachbarn, um Kraft zu tanken. Sei es beim Ausritt mit den Gauchos durch eine einsame Landschaft. Oder beim Beobachten riesiger Seehundkolonien. Oder beim Absurfen einer bis zu 70 Meter hohen Wanderdüne. Zum Ausklang prasselt das Lagerfeuer zum musikalischen Hippie-Abend am Strand des Naturparks von Cabo Polonio. Zu finden ist all dies im Departamento Rocha, 250 Kilometer östlich der Hauptstadt.
Und auch nachhaltig Reisende aus Übersee, denen schöner Strand plus Pauschalhotel ohnehin nicht genügen, sondern die darauf achten, in welches Land sie reisen, wenn es um Menschenrechte, Tierwohl oder Umweltschutz geht, haben Uruguay für sich entdeckt. Dessen winziges Volk hat bisher überwiegend durch Fußball und den klugen, bescheidenen Lebensstil ihres unkonventionellen Ex-Präsidenten José Mujica auf sich aufmerksam gemacht. In den kommenden Jahren hofft man, den Rest der Welt auch mit der landschaftlichen, kulturellen und architektonischen Vielfalt dieses Fleckchens Erde beeindrucken zu können – was in Europa sicher guten Anklang finden wird.
Uruguay Natural
Denn die vorbildlichen ethischen Standards beeindrucken. Laut „Transparency International 2014“ gehört Uruguay zu den Ländern Südamerikas mit der geringsten Korruptionsrate. Es setzt unter dem Slogan „Uruguay Natural“ auf den Schutz von Mensch und Umwelt sowie auf eine gesunde Lebensweise. Dazu zählt die Förderung von biologisch angebauten Lebensmitteln und naturbelassenem Fleisch – von „glücklichen Rindern“.
Der Staat stattet seit 2007 jedes Kind kostenlos mit einem schnellen Internetzugang und einem Laptop aus, um die digitale Lücke zwischen Arm und Reich zu verringern. Von dieser Art Grundrecht profitieren mittlerweile auch bedürftige Rentner, die ein iPad erhalten, um up to date zu sein.
Zudem pflegt das Entwicklungsland eine Willkommenskultur gegenüber allen sexuellen Orientierungen, gerade auch unter Touristen. Vor allem aber achtet es dabei auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen – ohne wenn und aber. So findet sich zum Beispiel auf fast allen Türen von Restaurants, Hotels und Souvenirgeschäften ein Aufkleber des Tourismus-Ministeriums.
Uruguay ist ein nachahmenswertes Vorbild
Er besagt, dass diese Unternehmen verantwortungsvoll agieren und einem Verhaltenskodex zum Schutz Minderjähriger vor sexueller Ausbeutung im Tourismus folgen. In der Praxis bedeutet das: Es wird nicht weggesehen, sondern gehandelt. Täter, die sich im Urlaub an Schutzbedürftige heranmachen, egal, ob in einer Burger-Bude oder in einer Strand-Bar, haben mit Strafverfolgung zu rechnen – auch im Heimatland. Für die internationale Reisebranche ist damit Uruguay ein nachahmenswertes Vorbild.
In mancher Hinsicht ist das kleine Land sogar noch moderner als europäische Staaten. Auf der UN-Klimakonferenz vom Dezember 2015 in Paris berichtete Ramón Méndez vom Ministerium für Wohnungswesen, Raumordnung und Umwelt davon, wie sein Land in weniger als zehn Jahren dahin gekommen ist, fast 95 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken und die Strompreise drastisch zu senken.
Aufgrund dieser Pionierleistungen rechnet die gemeinnützige Organisation „Ethical Traveller“ Uruguay unter die empfehlenswertesten Destinationen im sanften Tourismus. Zu Recht, und man darf auf weitere pfiffige Projekte gespannt bleiben.
Informationen rund um Uruguay
Uruguayisches Tourismus-Ministerium:
Kontakt: webmaster@mintur.gub.uy (Auskünfte bitte in Englisch oder Spanisch erfragen)
urualemania.de
Flugverbindung nach Uruguay
„Air Europa“ bietet günstige Flüge über Frankfurt und Madrid nach Montevideo an, ab ca. 700 Euro für Hin- und Rückflug in der Economy: www.aireuropa.com
Hotels in Montevideo:
www.sofitel.com (Luxus-Kategorie)
www.esplendorhoteles.com (Mittelklasse)
www.balmoral.com.uy (Standard)
Urlaub im Einklang mit der Natur:
http://cabo-polonio.com/en.html
http://fortalezasantateresa.com
www.guardiadelmonte.com
Bodegas:
– www.artesanawinery.com
– www.marichalwines.com
– www.carrau.com
– www.juanico.com.uy
Bildungsinitiative „Plan Ceibal“ – ein Laptop für jedes Kind:
www.planceibal.edu.uy
Reiseliteraturv über Uruguay
Borchert, Lars: Uruguay. Reiseführer für individuelles Entdecken. Reise Know-How. Bielefeld, 2015